Angedacht
Gedanken zur Jahreslosung von Regionalbischof Friedrich Selter
Prüft aber alles und das Gute behaltet.
1. Thessalonicher 5, 21
Bei der Jahreslosung geht es um nicht weniger als die Frage, wie wir als Christinnen und Christen gut und richtig leben. Diese Frage ist heute so aktuell wie damals vor 2000 Jahren. Sie lässt sich aber nicht allgemeingültig für alle Zeiten beantworten, der Auftrag dahinter jedoch schon.
„Prüft alles und das Gute behaltet“, ist für mich aus weitem Herzen gesprochen und eröffnet Raum, eigene Erfahrungen zu machen und herauszufinden, was für mich gut ist und mich durchs Leben trägt. Wie soll man auch sonst herausfinden, wer man ist und was der „innere Auftrag“ – wir könnten auch sagen: „die eigene Berufung“ – ist, wenn nicht durch Erfahrung und Prüfen? Das gilt ausdrücklich auch für die eigene geschlechtliche Identifikation und sexuelle Präferenz.
Und was heißt das für den Glauben? Muss ich die Bibel kennen, um richtig glauben zu können? Oder reicht es, zu wissen, dass Gott alle Menschen liebt – und ich ihn ebenfalls lieben soll, genauso wie meinen Nächsten und mich selbst? Muss ich alles für wahr halten, so wie es in der Bibel aufgeschrieben ist? Oder ist die Wahrheit das, was hinter den Geschichten steht, was in Gleichnissen angedeutet und teilweise erst mit wissenschaftlichen Methoden interpretiert wird? Suche ich in der Kirche mehr die Gemeinschaft, oder kommt es mir darauf an, anderen zu helfen, diakonisch zu handeln? Gehören zu meiner Religiosität die innere Einkehr im Kirchenraum, das gemeinsame Gebet, eine gute Predigt und schöne Kirchenmusik, oder kann ich genauso gut zuhause beten? Muss alles ein „entweder oder sein“? Klar ist jedenfalls: Von einem sollen wir die Finger lassen: „Meidet das Böse in jeder Gestalt.“ So heißt es einen Vers weiter. Was uns schadet, sollen wir gar nicht erst probieren. Und was anderen schadet, sollen wir erst recht unterlassen. Unsere Welt wäre eine andere, wenn alle, die das Gute suchen, dem Bösen entschieden entgegenträten!
„Prüfet alles und das Gute behaltet“, hat friedliebende, solidarische und innovative Persönlichkeiten vor Augen – und eine ebensolche Gesellschaft. Und so rührt die Jahreslosung bei mir an der Sehnsucht nach einer guten, einer besseren Welt. Einer Welt, in der sich die Menschen einander verbunden wissen. Einer Welt, in der alle gemeinsam versuchen, Sorgen zu lindern und drängende Probleme zu lösen, statt ständig miteinander zu konkurrieren oder einander zu bekämpfen. Einer Welt, in der wir Menschen die Natur als den Lebensraum aller Geschöpfe achten und sie schon deswegen schützen, weil sie in ihrer Schönheit und Vollkommenheit die Vollkommenheit des Schöpfers erahnen lässt. Die Jahreslosung wird mir so zu einer wichtigen Begleiterin für das neue Jahr 2025. Ob sie auch handlungswirksam wird? Es liegt an mir – genauso wie an jeder und jedem von uns. Probieren wir es aus!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes neues Jahr.
Ihr Friedrich Selter